Dontnod ist bekannt dafür Experimente einzugehen und sich stets Neu zu erfinden. Mit Vampyr tritt darum ein ziemlich vielversprechendes Abenteuer seine Weg auf die Switch an! Ob das Studio ihrem Ruf gerecht wird und auch der Port selbst funktioniert, verrate ich euch im Test…
Als rachsüchtiger Vampir die Welt beschützen!
Dontnod hat sich nach dem bescheidenen Erfolg von Remember Me mit Life is Strange einen Namen am Markt als herausragender Storyteller gemacht und gezeigt wie vielseitig sie Genres verbinden. Rechtzeitig zu Halloween will das Studio mit Vampyr wieder neue Pfade beschreiten und sich dem Action- Rollenspiel widmen. Ursprünglich schon im Juni 2018 für Xbox One und PS4 veröffentlicht, haben sich die Macher von LiS mit Vampyr ein ziemlich ausgeklügeltes Spielsystem ausgedacht, mit dem sie jetzt die Switch erobern wollen.
Im London des Jahres 1918 schicken euch die Autoren darum in die Rolle von Dr. Jonathan Reid, der eines Nachts als Blutgieriger Vampir erwacht. Kurzerhand muss sich Dr. Reid in seinem neuen Leben als Vampir zurechtfinden und zugleich als Arzt ein Mittel gegen die örtliche Seuche finden, die schon viele Bürger der Stadt heimgesucht hat. Die Frage, die sich dabei stellt: Rettet ihr die Bürger oder nutzt ihr deren Blut lieber für eure eigenen Zwecke?
Als Spieler übernehmt ihr nach dem Intro die Kontrolle über Dr.Vampir und versucht die Mysterien des viktorianischen London aufzudecken. Spielerisch erwartet euch ein klassisches Action-Rollenspiel, bei dem ihr verschiedene Fertigkeiten nutzt, um euch gegen die jeweiligen Feinden im Kampf zu behaupten. Diese Vampir-Fähigkeiten erhöht ihr hierbei automatisch beim Leveln und schaltet sie über einen Skill-Tree frei. Dafür benötigt ihr jedoch auch die kostbaren Erfahrungspunkte, die durch das Aussagen von Blut schneller erlangt werden können.
Warum beißen, wenn man auch Waffen hat?!
Als hilfreiches Mittel erweisen sich hierbei nicht nur eure Vampir-Skills, sondern auch die zahlreichen Waffen, die es zu finden gilt. Darum nutzt ihr beim Erforschen der Stadt verschiedene Knüppel, Äxte oder Schusswaffen. Diese kombiniert ihr dann quer durcheinander und löst Kombos aus, um so eure Blutanzeige für Special- Manövern zu füllen.
Die Anzeige lässt sich hierbei auch durch verschiedene Angriffe aufwerten, zu denen auch der klassische Vampir-Biss im Kampf gehört und das Aussagen des Bluts ermöglicht. Zumeist gilt es hierbei den Feind zuvor aus dem Gleichgewicht zu bringen, was mit der richtigen Waffe gelingt. Habt ihr schließlich die Blutleiste aufgeladen, kann das Blut genutzt werden, um euch im Kampf zu heilen oder Blutspeere auf den Gegner zu hetzen. Das geschickte Ausnutzen dieser Skills ist ein elementares Bestandteil des Kampfsystem, das durchaus komplexer ausfallen kann. Schließlich muss auch ständig ein Blick auf die Ausdauerleiste gelegt werden, die schnell mal beim Ausweichen und Angreifen gelehrt werden kann.
Mit eurer Ausweich- Funktion solltet ihr darum auch vorsichtiger haushalten, ansonsten prügeln euch die Feinde schnell zu Boden. In Kombination der Waffen, Fähigkeiten und der Charakterstärke lassen sich die Kreaturen also mal schneller oder langsamer beseitigen. Das Kampfsystem lässt sich also fast als eine Mischung aus The Witcher & Dark Souls beschreiben, bei der ihr überlegt agieren könnt. Verfolgt von Vampirjägern und zahlreichen Kreaturen ist das auch Bitter nötig, um in dieser grausigen Welt zu bestehen.
Denn das Spiel von Dontnod zeigt euch jederzeit welche Feinde zu bekämpfen sind und für welche ihr viel zu Schwach seid. Mit etwas Taktik können allerdings auch schwierige Gegner niedergerungen werden. Die Kämpfe sind dabei auch meist sehr stimmig und teils auch herausfordernd inszeniert. An Unterhaltung mangelt es dem Kampfsystem also definitiv nicht. Es ist nur teilweise komplexer, als es hätte sein müssen, was vor allem auch für die komplizierte Button- Belegung zutrifft.
Das schaurig, düstere London!
Natürlich ist es aber ebenso wichtig sich den Bewohnern Londons zu zuwenden und ihnen ein offenes Ohr zu schenken. Denn jede Figur in Vampyr hat eine eigene Persönlichkeit, Backstory und Konflikte. Das Adventure legt großen Wert darauf euch jederzeit die Möglichkeit zu geben die Welt und ihre Bewohner nach euren Vorgaben zu erforschen und zu beeinflussen. Die Interaktion mit den Mitmenschen sorgt für ein lebhaftes London und einige interessante Geschichten.
Das düstere Vampir- Zeitalter wird also auch vorläufig durch die Figuren eingefangen, die alle mit unterschiedlichen Ansichten ihre Meinung vertreten. Hierbei zeigt sich auch wieder die große Stärke von Dontnod. Das Entwicklerstudio besitzt ausgezeichnete Dialogschreiber, die es verstehen ihre Charaktere authentisch wirken zu lassen und mit guten Texten auch das Interesse beim Spieler zu wecken. Die geschickt verfassten Dialoge sind im Spiel auch ein wichtiges Element, um bestimmte Quests lösen zu können, in dem ihr manchen Personen Geheimnisse entlockt und so tiefere Gespräche führt. Darüberhinaus sammeln sich durch Interaktion auch RPG- typischen Aufgaben an.
Mit gesammelten Hinweisen und Quests können schlussendlich auch Dr.Reid’s Fähigkeiten erhöht werden. Das ist wichtig, um den Feinden Einhalt zu gebieten. Dabei zeigt sich aber auch, dass es manchmal verlockend sein kann sich dem Blutsaugen hinzugeben, um schneller zu leveln und im Kampf übermächtig zu sein. Jedoch verschwinden so möglicherweise auch manche Auftraggeber, die wiederum ebenso wichtig für Erfahrungspunkte sind. Das spielerische Konzept, das sich Dontnod hier ausgedacht hat, wirkt schon sehr komplex, ist aber auch nicht immer perfekt umgesetzt und erscheint manchmal spannender, als es letztlich ausfällt. Nichtsdestotrotz zeigt das französische Entwicklerstudio mit Vampyr wieder einmal was für Qualitäten sie im Spieldesign besitzen. Soweit zur spielerischen Seite!
Der (Switch-) Vampir wirkt ziemlich blass!
Die technische ist (leider) eine gänzlich andere Sache. Um das spielbare Vampir-Abenteuer auf die schwächer Hardware der Switch zu portieren, waren augenscheinlich kleine Änderungen nötig. Hierbei fallen zuerst die Textur-Qualitäten ins Auge, die weitaus niedriger aufgelöst wurden und auch längere Ladezeiten erzeugen. Teilweise haben einige Objekte fast gar keine (aufwendige-) Texturierung verpasst bekommen und wirken gar wie eine simple Tapetenfarbe.
Auch an der Beleuchtung wurden leichte Änderungen vorgenommen, die aber gar nicht so gravierend ausfallen, wie zu erwarten. Wahrscheinlich ist die Beleuchtungs- Engine recht variabel einstellbar und war schon auf den Hauptkonsolen nicht allzu Ressourcen fressend. Dafür wirkt aber die Shadow-Rate ziemlich gering. Doch auch hier lässt sich sagen, dass die anderen Konsolen (PS4/One) nicht viel besser waren. Insofern kann man dem Port keinen Vorwurf machen. Die wenigen Einschnitte sind vertretbar. Abgesehen davon sind aber natürlich wieder die Switch- üblichen Verdächtigen an Bord, zu denen auch die niedrige Auflösung gehören.
Diese pendelt sich wohl irgendwo bei 720p ein und landet manchmal auch weit drunter. Dazu sind auch die Hintergründe meistens mit einem Blur- Filter verdeckt, sodass man sich fast an die nebligen Zeiten von Silent Hill erinnert fühlt. Was auch sichtbar ist, ist der geringere Max-Count der Partikel, sowie das Level of Detail. So manches Objekt besitzt tatsächlich ziemlich wenig Polygone, egal in welcher Entfernung betrachtet wird. Vielleicht mögen dem ein oder anderen Spieler auch kleine Änderungen an den Charaktermodellen aufgefallen sein.
Schon auf den Konkurrenzkonsolen waren die Figuren nicht unbedingt realistisch ausgearbeitet, doch gerade auf der Switch fällt der geringe Detailgrad noch mal deutlicher auf. Wenn ich richtig liege, wurden hier wohl nicht nur der Polygon-Count verringert, sondern auch die Shader-Details herunter geregelt, die für das Glänzen der Haut und die Oberflächen- Reflexion zuständig sind. Dadurch wirken Gesichter im Zusammenspiel mit der geringeren Auflösung fast schon wie PS3 Titel der Anfangszeit. Das erscheint aber auch logisch. Schließlich wollten die Entwickler aus der Switch eine möglichst saubere Bildrate herauskitzeln, was aber leider nicht geglückt ist.
In so manchen Stadtbezirken treten sehr starke Frame-Drops auf, die zwar nicht unbedingt so das Gameplay beeinträchtigen, aber jederzeit spürbar sind. Der Port von Vampyr macht aber trotz des Grafik-Downgrade einen zumeist guten Eindruck. Denn die Abweichungen zur PS4 & One Version sind tatsächlich oft nur marginal und dürften der Mehrheit der Spieler vielleicht gar nicht auffallen. Die Entwickler von Saber Interactive haben also einen ordentlichen Port abgeliefert. Was den Titel ohnehin eher auszeichnet, sind seine Design- Qualitäten.
Wie schon in Life is Strange schafft es Dontnod mit schwacher Grafik-Engine eine doch sehr beeindruckende Welt zu erschaffen, die in sich stimmig erscheint. Die Straßen London’s sind überzogen von schmutzigen Ortsteilen, engen Gassen, herumwuselnden Ratten und einer düsteren Lichtstimmung. Alles wirkt ungemein melancholisch und furchtbar verzweifelt, was auch gut durch den Soundtrack untermauert wird. Die enorm bedrückende Atmosphäre des viktorianischen London zeigt sich bedrohlich und scheint von der Objekt-Dichte ebenbürtig mit den restlichen Konsolen. Wer zumeist im Handheld- Modus spielt, wird manche Grafikeffekte ohnehin nicht vermissen, da einige Dinge wie die niedrige Auflösung, das Level- of Detail und der Polygon-Count nicht so stark ins Gewicht fallen. Da in der Switch- Fassung auch kein Content entfernt wurde, die Ladezeiten noch okay sind und die Umgebungen insgesamt einen gewissen Charme besitzen, hat man mit Vampyr auch als Nintendo Fan ein durchaus gutes Spiel in Petto. Trotzdem sollte man die technischen Aspekte nicht außer Acht lassen. Die zeitweise auftretenden Bugs, Fehler und Performance- Macken sind aber sicherlich in ziemliches Problem für Vampyr.
Vielen herzliche Dank an Focus Home Entertainment & Koch Media für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Vampyr für die Switch:)
Bildmaterial: ©2019© Deep Silver, a division of Koch Media GmbH, Austria