Die Nachmittage in Fußballschuhen verbracht, RTL2 fest im Tagesablauf eingeplant und jeden Anime Hype mitgemacht. Das waren für viele Kinder die 90s! Und dieses kindliche Gefühl der Sorglosigkeit will Bandai Namco Entertainmen nun mit Tsubasa wiederholen. Ob das Spiel den passenden Spielspaß dazu liefert, erfahrt ihr im Test…
Die tollen Fußballstars sind zurück!
Wer war der beste Fußballer der je den Ball am Fuß geführt hat? Ronaldo, Messi, Pele oder doch Maradona? Weder noch. Der Junge kommt aus Japan, hört auf den Namen Tsubasa Ozora und schickt sich an euch in die Kindheit zu versetzen.
Denn Bandai Namco Entertainment hat tatsächlich eine Lizenzumsetzung des erfolgreichen Anime in Auftrag gegeben und lässt euch so die Karriere des populärsten Manga Sportlers nachzuerleben. Als Fußball Fan in den 90ern war nicht nur die Bundesliga ein wöchentliches Erlebnis für uns Kids. Auch die japanische Kicker-Story um Captain Tsubasa begeisterte wohl so ziemlich jeden im Freundeskreis. Nach dem Kindergarten vor den Fernseher gesetzt und Tsubasa’s Werdegang zum größten Fußballstar verfolgen und danach selbst mit Freunden im Garten kicken, war selbstverständlich.
Denn der Junge aus Nankatsu, dem sogar eine Schulterverletzung nicht vom Platz fegen konnte, war ein echtes Vorbild und lockte sicherlich Millionen von Kids aufs Feld. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich schon früh in der Kindheit wegen Tsubasa den Wunsch gehegt habe, Fußballer zu werden. Ja, gut daraus ist nicht mal Ansatzweise etwas geworden, aber hey, zumindest darf ich stattdessen nun einen Bericht über meinen Kindheitshelden schreiben. Und genau für Leute wie mich, die voller Nostalgie auf »Captain Tsubasa und die tollen Fußballstars« blicken, ist dieses Spiel gemacht. Also schnüren wir doch mal die Schuhe, schnappen uns den Controller und schauen uns an, was die Japaner so auf dem Platz abliefern.
Tigerschuss vs Top Spin in Aktion!
Das Spiel zeigt sich auf Anhieb als bewährter Arcade-Kick, der mit leicht zugänglicher Steuerung und ziemlich überzogenen Aktionen überzeugt. Genau wie im Anime schleudern wir kraftvolle Schüsse aufs Tor, grätschen den Gegner förmlich ins nächste Stadion, hauen uns in die Zweikämpfe wie ein Wrestler im Titelmatch und lassen so Tigerschuss und Co. auf die Torhüter zufliegen. All das sieht spektakulär aus und fühlt sich kindlich vertraut an.
Schüsse, Pässe oder Torwartparaden wirken überspitzt und schenken sicherlich jedem Fan ein Lächeln aufs Gesicht. Denn jeder Starspieler hat seine gewohnten Bewegungen und verfügt über spezielle Superschüsse. Wenn die Tachibana Zwillinge ihren Twin Shot ausführen ist das schon ziemlich cool umgesetzt. Das Spielsystem ist also logischerweise sehr temporeich, zugänglich und effektvoll inszeniert, wodurch man in einen regelrechten Spielfluss gerät. Zeitweise sorgt aber die ungenaue Spielerkontrolle für einige unschöne Szenen, die aus dem Arcade Spaß schon mal einen Frust-Kick machen. Denn tatsächlich wirkt es so, als würde das Spiel leichten Input-Lag besitzen und dadurch so manches Dribblings-Manöver nicht zeitgenau übertragen können.
Hat man sich eingespielt, lässt es sich damit zwar umgehen, doch eine perfekte Spielbarkeit sieht anders aus. Was euch aber sicherlich schon aufgefallen sein sollte: Das Spiel fängt den Anime ausgezeichnet ein! Optisch orientiert man sich stark an der Vorlage und liefert ein bunt gewürfeltes Sportspiel, bei dem die polygonalen Charaktermodelle ziemlich gekonnt in Szene gesetzt werden und ihren Manga Originalen ins nichts nachstehen. Auch die Inszenierung mit aufwendigen Effekten und überzogen animierten Zwischensequenzen überzeugt zu jederzeit. Mit Tsubasa den Top-Spin ausführen, Kojiro Hyoga’s Tigerschuss ins Eck ballern oder mit dem Shutetsu Trio zu Kisugi’s Kugelschuss anzusetzen, macht einfach unfassbar viel Spaß. Die Figuren agieren alle mit geballter Power und hauen sich gegenseitig aus den Socken, was visuell sehr cool eingefangen wurde.
Mit Willensleiste zum Torerfolg!
Klingt doch alles nach einem perfekten Videospiel. Nun, leider kann man soweit dann doch nicht gehen. Denn die Ausführung einzelner Fähigkeiten erfolgt zumeist auf demselben Grundprinzip. Ihr haltet je nach Spielsituation die Viereck-, Dreieck-, oder Kreistaste gedrückt und wartet bis der jeweilige Ladebalken aufgeladen wird. Damit gelingt schließlich eines der speziellen Schussmanöver und eine animierte Sequenz wird eingespielt.
Der gegnerische Spieler hat derweil ein ziemlich enges Zeitfenster, um zu reagieren und sich mit dem richtigen Timing vielleicht sogar in die Flugbahn des Balles zu werfen. Das sieht natürlich auch wieder ordentlich bescheuert aus, gehört aber eben zum Anime und macht den Charme des Spiel aus. All diese Fähigkeiten werden auf Basis einer Willensleiste berechnet. Befindet sich diese im roten Bereich, lassen sich keine Tacklings, Dribblings oder starken Schüsse ausführen. Die meiste Zeit spielen sich die Matches darum auch im Mittelfeld ab, wo ihr euch den Ball zuspielt. Aus diesem Grund lässt sich das Runde auch nicht so leicht ins Eckige bringen.
Denn eure Position vor dem Tor spielt nur eine ungeordnete Rolle. Vielmehr verkleinert ihr mit jedem Superschuss die Willensleiste des Torhüters, um anschließend ein Tor zu erzielen. Genauso verhält sich auch das Spielkonzept der restlichen Mitspieler auf dem Feld, die ihre Aktionen nur mit genügend Kraft ausführen dürfen. Meterhohe Sprünge oder energiegeladene Bälle, bei denen der Torwart direkt mit ins Tor fliegt, sind darum auch keine Seltenheit, was aber auch für einige Situationen sorgt, die sehr programmiert wirken. Durch die einfache Steuerung gelingen aber schnell all die Kombi-Angriffe, wie man sie aus aus der Erfolgsserie kennt.
Wird durch eine effektvolle Flanke mit anschließenden Torabschluss per meterhoch gesprungenen Kopfball ein Treffer erzielt, dann lodert ordentlich die Nostalgie auf. Abgesehen davon ist es noch wichtig die sogenannte V-Zone in seine Strategie einzubinden. Hierbei handelt es sich um eine Art Momentum-System, das bei ausreichender Ladezeit, die Moral des Teams erhöht und euch leichter die Spezialaktionen ausführen lässt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass es verschiedene Spielertypen gibt, die jeweils andere Fähigkeiten besitzen. So ist zum Beispiel auch ein kräftiger Verteidiger wie Shingo von Nankatsu deutlich im Vorteil, wenn er gegen einen flinken Trickser wie Matsuyama antritt. Auch Ishizaki’s eigensinniger Spielstil wurde lustig ins Spiel eingebunden. Soviel zum Spielsystem, das euch mit Captain Tsaubasa – Rise of New Champions erwartet. Doch wie sieht es mit der Vielfalt an Modi aus?
Der Traum vom Fußballstar!
Was die Abwechslung betrifft, so dürfte man genügend Langzeit Spaß mit dem Spiel haben. Im Fokus stehen hierbei natürlich die zwei Kampagnen, die euch jeweils unterschiedliche Abenteuer erleben lassen. In der Tsubasa- Storyline schlüpft ihr in die Rolle des beliebten Anime-Kickers und spielt seinen Werdegang nach. Die Landesmeisterschaft der Jugend steht hier an, die Tsubasa mit seinen Teamkollegen von Nankatsu für sich entscheiden möchte.
Dafür gilt es die verschiedenen Schulen zu besiegen und sich mit den besten Fußballstrategen zu messen. Zusätzlich gilt dieser Modus auch als Aufwärmphase, um sich mit der Steuerung und den Fähigkeiten vertraut zu machen. Die Kampagne ist mit zahlreichen Tutorials angereichert, die euch penibel genau den Ablauf erklären. Wie für ein Anime Spiel üblich, wird die Geschichte mit ausreichend Zwischensequenzen erzählt, die aber zumeist etwas weniger aufwendig animiert werden. Dadurch transportiert das Spiel auch zeitweise Szenen, die langjährige Fans aus der Serie kennen dürften.
Als Alternative zur Tsubasa- Story, dürft ihr auch zur »Neuer Held« Kampagne greifen und euch selbst einen Kicker erstellen, mit dem ihr Turniere gewinnt. Der Charakter-Editor fällt dabei etwas einfacher aus und lässt euch z.B. Körperform, Haarfarbe, Name und Trikot aus einigen Vorgaben auswählen. Danach geht es dann auf Feld, wo ihr euch einem der bekannten Schulteams wie Toho Academy, Furano Mittelschule oder Musashi Mittelschule anschließt, um euch hier auch auf internationalen Niveau zu messen. Im Gegensatz zur Tsubasa- Episode dürft ihr euch hier auf sehr schön animierte Cutscenes freuen, die im Stil des »Captain Tsubasa (2018)« Remakes gehalten sind.
Langjährigen Fans dürften beide Modi sehr viel Spielspaß bescheren. Auch wenn diese recht gleichförmig ausfallen und eigentlich nur dem Matches -> Cutscenes -> Matches Prinzip folgen. Aber was dürfte man von einem Fußballspiel auch mehr erwarten. Interessanterweise spielt sich der Heldenmodus auch ziemlich ähnlich zum The Journey Modus aus Fifa. Denn auch hier gilt es nach dem Spiel Gesprächen zu folgen, sich selbst zu Wort zu melden und während des Matches eine möglichst gute Performance abzuliefern.
Schade nur, dass hier eine Art “Pro Kamera” fehlt, was die Übersicht etwas erschwert, will man nur mit dem eigenen Kicker spielen. Allgemein ist die Kameraperspektive der größte Kritikpunkt. Hier hätte man durchaus mehr Varianz bieten können. Die Nah, Fern und Mittel- Zooms sind kaum zu unterscheiden, da das Spielfeld trotzdem optisch auf derselben Ebene bleibt. Eine Vogelperspektive, Pro-Ansicht oder Dynamische Kamera wie in Fifa/PES hätte dem Spiel gut getan.
Eine KI ohne Weltmeister Ambition!
Pässe spielen, Flanken schlagen und den Torabschluss wagen, um anschließend wieder Gespräche zu führen, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, dürfte aber besonders Fans ein Lächeln aufs Gesicht treiben. Zu den zwei Storymodes gesellen sich überdies noch ein Versus Modus, Training & Elfmeter- Duell und ein Online Multiplayer.
Hier versucht ihr euch mit einem eigens erstellen Team an einer virtuellen Liga und klettert die Rangliste hinauf. Leider verbieten euch die niedrigen Ränge Matches mit echten Spielern. Stattdessen dribbelt ihr euch anfangs nur gegen die KI durch die Liga. Erst mit genügend Erfahrungspunkten bzw. Rangaufstiegen dürft ihr auch andere menschliche Kicker herausfordern und euch in virtuellen Fußballduellen messen.
Das ist schade, denn die Motivation liegt hier zu Beginn bei Null. Schließlich möchte man nicht ewig gegen die KI antreten, bevor es endlich mal gegen einen anderen Spieler geht. Für den Einstieg sicherlich nett gedacht, aber auch als Anfänger möchte man gerne ein normales Match bestreiten. Technisch hinkt das Spiel natürlich leicht hinterher. Denn saubere 60 FPS sind leider nicht vorhanden. Das Spiel wirkt teilweise etwas unruhig, was auch durch die ungenaue Steuerung und den Input-Lag gestört wird.
Auch die KI-Akteuere werden wohl niemals Weltmeister. Denn teilweise agieren sowohl Mitspieler, als auch Gegenspieler ziemlich unsinnig und ignorieren sogar Bälle, die frei vor ihnen auf dem Spielfeld liegen. Dafür sind wiederum die Offensivqualitäten immens stark. Ein normales Tackling wird, trotz gutem Timing, nicht zwangsläufig zum Erfolg führen. Die gegnerischen Spieler hebeln bei hoher Powerleiste mit Dribblings die Verteidigungslinie aus.
Dadurch ergibt sich ein sehr unausgeglichenes Bild zwischen Defensive und Offensive. Aber dafür ist das Spiel eben auch ein Arcade-Kick im Stile von Mario Strikers Charged , kein Simulationsspiel wie Pro Evolution Soccer. Dem entgegen steht aber komischerweise der hohe Schwierigkeitsgrad. Denn schon zu Beginn sind die Teams ziemlich stark und lassen kaum Gegentore zu. Ein Neustart ist oftmals die einzige Lösung, da auch die zwischenzeitlich eingestreuten Anime-Szenen einen unverhofften Gegentreffer erzeugen. Die Frage, die sich also stellt: Ist Captain Tsubasa auch virtuell ein Fußballklassiker? Nun, das lässt sich schwierig beantworten. Denn ob ihr Spaß am Spiel haben werdet, hängt stark mit eurer Bindung zum Anime zusammen.
Vielen herzliche Dank an Bandai Namco Entertainment für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares von Captain Tsubasa: Rise of New Champion für die PS4:)
Bildmaterial: ©2010 – 2020 BANDAI NAMCO Entertainment Europe S.A.S /
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