Die Mystery-Krimiserie »Nancy Drew« ist inzwischen auch in Deutschland mit der 2. Season vertreten und schickt die junge Detektivin wieder mal durch die wildesten Geistergeschichten. Das sollten sich Mystery Fans nicht entgehen lassen.
Auch in der zweiten Staffel ist der Handlungsort wieder die alte Hafenstadt Horseshoe Bay in Maine, die von übernatürlichen Phänomenen begleitet wird. Gemeinsam mit ihren Freunden George, Nick, Bess und Ace musste sich Nancy schon in der ersten Staffel mit den verrücktesten Theorien und gefährlichsten Dämonen herumschlagen.
Zuletzt brachten die Ereignisse in der Kleinstadt schon die verborgenen Geheimnisse des Hudson- Clans an Licht und bescherten uns als Zuschauer die Erkenntnis, dass Nancy tatsächlich die uneheliche Tochter des Milliardär’s Sohn Ryan Hudson ist und somit in gewisser weise selbst zum korrupten Familienunternehmen gehört. Ryan ist, unter seiner versnobten Schale, allerdings selbst kein Freund der Machenschaften seines Vaters und versucht geduldig eine Beziehung zu Nancy aufzubauen, die wiederum gegen einen altertümlichen Fluch kämpft.
Die Geschichte setzt darum genau dort an, wo wir Nancy und ihre Freunde zuletzt zurückgelassen haben. Denn trotz des familiären Chaos und des unberechenbaren Everett Hudson ist die Aglaeca noch immer die größte Gefahr für das Überleben der Gruppe.
Doch so einfach lässt sich der böse Geist eben nicht bezwingen. Schließlich treiben sich auch noch andere Dämonen im Feld umher. Das sorgt in der Geschichte für ein wirklich interessantes Wechselspiel von kurzweiligen Kriminalgeschichten und unheimlichen Mysteryszenen.
Die Suche nach der Abkehr des Fluches erschafft ein größeres Storykonzept, das sich ins Gefüge der Hudson/Drew Storyline einbindet und verschiedene übernatürliche Phänomene und Kurzgeschichten abdeckt. Überhaupt wird die Aglaeca sehr gut als Ausgangselement genutzt, um zügig andere Schauergestalten mit Hintergründen umzusetzen. Viele unterschwellige Hinweise in Dialogen oder Verhaltensweisen der Figuren werden darum auch erst viel später wieder aufgegriffen, um eine weitere übernatürliche Präsenz erzählerisch einzubauen. Dadurch sorgt man auch dafür, dass »Nancy Drew« inzwischen als vollwertige Mystery-Serie auftritt. Jede urbane Legende in Horseshoe Bay wird als Tatsache aufgegriffen, ohne lange darüber zu zweifeln, ob es Geister überhaupt gibt. Das steht dem Konzept sehr gut zur Gesicht, da man sich so vom klassischen Crime- Drama befreit und eigene Wege beschreitet, ohne sich zwanghaft an Romangeschichten halten zu müssen.
Was mir zudem sehr gut an der Serie gefällt, ist, dass die Charaktere ihren übernatürlichen Feinden tatsächlich mit Intelligenz und Nachforschungen begegnen. Wenn möglich werden gewisse Situationen gemieden, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen. Stolpert die Gruppe doch mal in die nächste Falle, dann nur, weil der zuvor ausgetüftelte Plan einfach schief ging.
Die fortlaufenden Storytwists sind auch interessant genug, um als Zuschauer bei der Stange zu bleiben. Die Fernsehlandschaft ist gefüllt mit zahlreichen Crime-Shows. Da hätte es »The CW’s Nancy Drew« als x-te Umsetzung der Romanheldin schwer gehabt. Sich stattdessen auf übernatürliche Elemente zu konzentrieren, sorgt für ein frisches und überraschend spannendes Serienuniversum. Überdies sind auch die Figuren der Geschichte mit viel mehr Facetten versehen, als es sonst in vergleichbaren Serien wie »Riverdale« & Co. der Fall ist. Wenn die Diebin Bess lieber den Rauswurf aus ihrer Familie riskiert, als einen Freund im Stich zu lassen, spricht das Bände für ihre Charakterisierung. Das gilt ebenso für Nancy, die mit ihren Gerechtigkeitssinn stark in Zwietracht gerät, nachdem die Vergangenheit sichtbare Spuren an ihrer Psyche hinterlassen zu haben scheinen. Auch Ryan Hudson zeigt sich als vielseitige Figur, der gewillt ist seinen alten Lebensstil aufzugeben, um irgendwie die verlorenen Jahre mit seiner Tochter nachholen zu können.
In den Szenen mit Nancy & Ryan zeigt die Geschichte ihre stärkste Seite und offenbart zwei Personen, denen es eigentlich fast unmöglich scheint zueinander zu finden, ohne andere zu verletzen oder in Gefahr zu bringen. Dazu gehört auch ihr Adoptivvater Carlson Drew, der seine Ziehtochter partout nicht aufgeben will, aber dem das Hudson Imperium durchaus gefährlich werden kann. Nicht zu vergessen Nick, der seine Freundin Tiffany rächen will und sehr offensiv in den Kampf gegen Everett Hudson zieht.
Dabei spielt natürlich auch Nancy selbst eine große Rolle. Schließlich ist es schwer einzuschätzen, ob bei ihr die alte Nancy Drew oder die neue Nancy Hudson die Oberhand gewinnt. Im Laufe der 2.Season ist darum auch das Thema Schuldzuweisung und Vertrauensängste ein wichtiger Faktor.
Denn Nancy wird daran erinnert, wie Rücksichtslos sie das Leben ihrer Freunde aus eigenen Interesse aufs Spiel gesetzt hat. Für sie ist es darum auch die erschreckende Erkenntnis, dass ihre größte Angst nicht darin besteht eine Hudson zu sein, sondern sich beim Versuch dabei selbst zu verraten. Ein charakterliches Schlamassel, das durchaus plausibel aufgezogen wird und der Detektivin enorm viel Charakterspielraum gibt. Die taffe Frau ist in einigen Momenten doch zerbrechlicher, als sie es zugeben mag. Das könnte vielleicht für manche Zuschauer zu kitschig wirken, ist aber in seiner Erzählung ziemlich gut geraten. Zumal es den Autoren auch gelingt, dass die Geschichte nicht nur ernste Töne anstößt, sondern sich je nach Tagesfall auch mal humoristische Szenen ergeben. Dazu passen auch die charmant geschriebenen Figuren, die von ihren Schauspielern bestens verkörpert werden. Besonders Leah Lewis ist mit ihrer George/Odette Umsetzung für einige Lacher gut und zeigt sich vielseitig im Schauspiel. Mir hat ihre Leistung aber auch schon in »Nur die halbe Geschichte« ziemlich gut gefallen. Auch über Alex Saxon als Ace musste ich teilweise schmunzeln. Echt n’ chilliger Typ in seinem Schauspiel.
Und seien wir ehrlich: Gab es bisher eine interessantere Nancy Drew, als Kennedy McMann? Die junge Frau hat eine wirklich große emotionale Range und so ziemlich mit jedem Szenenpartner eine Chemie. Es sind meist die kleinen Dinge, die ihr Schauspiel hier auszeichnen. Ich glaube die Serie ist in der Hinsicht ziemlich unterschätzt, weil man von CW Shows und allgemein Jugend/Coming of Age Dramen selten große Emotionen und gutes Schauspiel erwartet. Nancy Drew weiß aber genau dort zu überzeugen. Die einzige Frage, die mir nach der Season blieb: Wie hält sich eigentlich das The Bayside Claw? Jeder Angestellte des Diners ist doch ständig auf mystischer Ursachenforschung und Gäste sind nahezu nie vor Ort. Das ist doch das größte Mysterium der Serie!
FAZIT:
Intelligente Neuinterpretation der Roman-Heldin. Spannend erzählt und gut gespielt!
Für die Serie ist die zweite Staffel schon fast so etwas wie eine Redemption Story für Charaktere wie Nancy, Carlson oder auch Ryan, die mit ihren Taten umzugehen lernen und jetzt erst spät die Auswirkungen zu spüren bekommen. Das Familiendrama in Nancy Drew ist also ein ziemlich ausuferndes Storykonstrukt, über dem weiterhin die Legende der Lucy Sable und der Aglaeca kreist. Da ich großer Fan der kanadischen Mystery-Serie »Heaven« war, hat mich Season 02 im positiven Sinne auch leicht an diese unterschätzte Mystery-Serie erinnert. Ich habe mich durch die Schauspieler, die Geschichte und dem wilden Urban Legends also bestens unterhalten gefühlt und freue mich darum schon jetzt auf neue Episoden der rothaarigen Detektivin.